Was tun bei
Die Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche, chronische Erkrankung im Körper. Sie gehört zu den Autoimmunerkrankungen, eine Fehlsteuerung des Immunsystems, wobei dieses seine körpereigenen Strukturen angreift. Betroffen sind die Nerven, bzw. das Myelin. Das Myelin ist eine Hülle, die den Nerv von aussen umgibt und schützt. Bei der Multiplen Sklerose ist die Hülle entzündet und kann langsam zerstört werden.
Normalerweise werden über die Nerven ständig Informationen vom und zum Gehirn weitergeleitet. Bei der Multiplen Sklerose ist diese Informationsübertragung gestört. Dies führt dazu, dass die Funktion von Muskeln und Organen nicht normal ausgeführt wird.
In der Schweiz sind ca. 10’000 Menschen von diesem Beschwerdebild betroffen, weltweit ca. 2.5 Millionen. Es sind doppelt so viele Frauen wie Männer betroffen, die im Durchschnitt 30 Jahre alt sind.
Die Anatomie des Nervensystems
Der Körper besteht aus zwei Nervensystemen, die als Koordinations- und Steuerungsorgane dienen. Das Zentrale und Periphere Nervensystem. Ihnen werden drei Funktionen zugeschrieben:
- Bestimmte Rezeptoren nehmen Reize von aussen wahr (wie z.B. Hitze, wenn man mit der Hand über eine heisse Herdplatte streicht) und geben diese Information über die Hirn- und Rückenmarksnerven an das Gehirn weiter.
- Dort werden Informationen verarbeitet und eine Reaktion wird vorbereitet.
- Das Gehirn löst dann eine motorische Funktion aus, damit eine Bewegung (z.B. das Wegziehen der Hand von der Herdplatte) verursacht wird. Das alles passiert innerhalb von Millisekunden.
Der Aufbau der Nervenzelle sieht folgendermassen aus:
Eine einzige Nervenzelle besteht aus einem Zellkern, Zellkörper und besitzt an ihren Enden Abzweigungen, die sogenannten Dendriten. Mit diesen werden Informationen empfangen und an eine andere Nervenzelle übertragen. Um die Information schnellstmöglich weiterzuleiten, ist die Nervenzelle mit dem Myelin umgeben. Ausserdem sorgen die Schnürringe (siehe Bild) dafür, dass die Information schnell von einem zum anderen Ring hüpfen kann. Wird nun das Myelin zerstört und bildet sich kaum nach, können Informationen nur noch langsam, schwer oder aber gar nicht mehr weitergeleitet werden.
Entstehung der Krankheit und Symptome
Die Symptome dieser Erkrankung sind sehr individuell. Sie hängen davon ab, welche Nervenfasern im Körper von der Zerstörung des Myelins betroffen sind und welche Körperregionen von diesen Nerven versorgt werden.
Die Krankheit kann schubartig verlaufen oder sich kontinuierlich verschlechtern. Letzteres tritt sehr selten auf und betrifft nur ca. 5% der Betroffenen.
Den schubartigen Verlauf nennt man auch rezidivierende-remittierende MS, 80% weisen diese Form auf. Ein Schub (Remission) kann sehr unvorhergesehen auftreten und Tage bis Wochen andauern bis es zur symptomfreien Phase kommt. Störungen können sich vollständig zurückbilden oder nur zu geringen Langzeitschäden führen, die Erkrankungen bleibt aber bestehen.
Nach ca. zehn Jahren geht bei der Hälfte der Erkrankten die rezidivierende-remittierende MS in die sekundär progrediente MS über. Es treten wie zu Anfang Schübe auf, allerdings bilden sich die Störungen weniger gut zurück und schränken den Betroffenen mehr und mehr im Alltag ein.
10% weisen eine primär progrediente MS von Anfang an auf. Es gibt keine Schübe, die Symptome treten kontinuierlich auf und bleiben bestehen.
Folgende Symptome sind unter anderen möglich:
- Taubheitsgefühle und Kribbeln in den Extremitäten
- Koordinations- und Konzentrationsstörungen
- Steifigkeit, Krämpfe, Zittern und Schwäche der Muskulatur
- Gang- und Gleichgewichtsstörungen
- Sprachstörungen
- Psychische Belastungsstörungen
Die Ursache der Erkrankung ist nicht sicher bewiesen. Experten vermuten, dass eine genetische Veranlagung, Umweltfaktoren, Ernährung oder ethnische Zugehörigkeit Risikofaktoren darstellen.
Diagnosestellung
Bis es zur Diagnosestellung kommt, liegen durchschnittlich etwa drei Jahre seit dem Auftreten der ersten Symptome zurück. Häufig wird die Krankheit vorher nicht erkannt, da die Störungen vom Körper kompensiert werden können oder auch schwache Symptome oft nicht abgeklärt werden.
Im Gespräch mit dem Arzt werden Sie über ihre Beschwerden und deren Verlauf sprechen. Es wird eine neurologische Untersuchung (Testung der Muskelfunktion, Reflexe und sensorisches Empfinden) durchgeführt. In einem MRT kann die Zerstörung der Nervenzellen sichtbar werden. Ausserdem kann eine Blut- und Nervenwasseruntersuchung angeordnet werden.
Wie hilft die Physiotherapie bei Multipler Sklerose?
Die Multiple Sklerose ist eine unheilbare Krankheit. Da die Ursache unbekannt und nicht zu beheben ist, ist die Therapie eine reine Symptombehandlung. Ein wichtiger Fokus liegt auf dem Erhalt der Selbstständigkeit und Lebensqualität. Häufig ist dazu eine Langzeittherapie mit möglichen kurzweiligen Pausen nötig. Die Therapie setzt sich aus der medikamentösen Behandlung (unter anderem Kortikosteroide gegen die Entzündung oder Schmerzmedikamente) und einer Kombination aus Physiotherapie, Ergotherapie und eventuell Psychotherapie zusammen. Oft fühlen sich Betroffene in Gruppensitzungen wohl, da sie sich mit Gleichgesinnten austauschen können. Je nach Beschwerden braucht es in der Physiotherapie folgende Massnahmen, welche den Hauptfokus auf motorische Beeinträchtigungen hat:
- Muskelaufbautraining oder Erhalt der Kraft
- Gleichgewichts- und Gangtraining
- Koordinations- und Konzentrationsübungen
- Sensomotorische Übungen (Zusammenspiel zwischen Nerv und Muskel)
- das Üben oder Ändern von Alltags- und Berufsschwierigkeiten
- Beckenbodentraining
Die Störungen können verschiedene Körperfunktionen beeinträchtigen. Das macht die Krankheit sehr vielfältig und somit muss auch die Behandlung auf den individuellen Patienten angepasst werden. Obwohl der Patient mit dieser Diagnose nicht geheilt werden kann, ist eine Erleichterung des alltäglichen Lebens möglich. Wichtig dafür ist es aber, dass Sie die Bedeutung der Krankheit, dessen Auswirkungen und Ihre Behandlungsziele kennen. Dafür ist Ihr Arzt und Ihr Physiotherapeut Ihre erste Anlaufstelle!