Im Sommer werden unsere Füsse meist in offene Schuhe wie Sandalen oder Flip Flops gesteckt. Was die einen freut, finden solche, die unter einem Hallux valgus leiden, eher unangenehm. Die Zehen-Fehlstellung fällt besonders in offenen Schuhen als ästhetisches Problem auf. Je nach Schuhform können Druckstellen zusätzlich belasten. Viele entscheiden sich deshalb für eine Operation.

Wie der Schiefstand der Grosszehe physiotherapeutisch therapiert werden kann, erklärt Zentrumsleiterin Swende Krämer im Interview.

In der Schweiz leiden Tausende unter einem Hallux valgus. Was bedeutet diese Zehen-Fehlstellung für Betroffene?

Der lateinische Begriff Hallux bedeutet „grosse Zehe“, valgus steht für „auswärts gerichtet“.Auffallend ist die seitliche Abweichung der Grosszehe in Richtung der kleinen Zehen, also von der Körpermitte weg. Das Fussgewölbe ist oft abgeflacht, der Vorfuss breiter als gewöhnlich. Oft bilden sich sogar Hammerzehen.

Zusätzlich zum Schmerz und dem optischen Problem, wird die Beinachse fehlbelastet und beeinträchtigt Betroffene bei der Schuh-Auswahl.

Und ist immer schmerzhaft?

Ist er ausgeprägt, leiden fast alle Betroffene unter Schmerzen, ja. Der Nerv der Grosszehe ist gereizt und entsprechend für viele Symptome verantwortlich.

Typische Beschwerden durch einen Hallux valgus sind:

  • Rötung und Erwärmung oder starke Schmerzen im Grundgelenk des grossen Zehs
  • Glänzende und gespannte Haut an der Innenseite des Grundgelenks
  • Schmerzen beim Gehen und als Folge eine Ausweichbewegung über die Fussaussenkante
  • Taubheit oder Kribbeln in den Zehen in Ruhe sowie in Bewegung
  • Hornhautschwielen in Höhe der Fussballen

Offenbar ist der Hallux in Ländern, wo es heiss ist und man oft barfuss unterwegs ist, eine Seltenheit. Sind also die Schuhe verantwortlich?

Zum Teil. Oft leiden Patienten daran, die jahrelang ein falsches Schuhwerk getragen haben – beispielsweise zu enge oder zu kurze Schuhe. Frauen sind stärker betroffen, da die Damen-Schuhform (besonders mit Absatz) den Hallux begünstigt.

Der Hallux valgus tritt häufig in Verbindung mit einer weiteren Fuss-Fehlbildung auf. Da das Bindegewebe von Frauen schwächer ist, sind sie auch eher betroffen. Am Hallux sind allerdings nicht nur die Schuhe Schuld, oft wird er auch einfach vererbt.

Der Hallux erscheint ja nicht von einem Tag auf den anderen, wie genau kommt es dazu?

Der Leidensweg der Betroffenen startet oft mit einer Fussdeformität wie zum Beispiel einem Spreizfuss. In der Folge verändern sich Fussstatik und Muskelzug, Bänder werden überdehnt. Die Dauerfehlbelastung führt zur schmerzhaften Arthrose (Gelenksdegeneration) im Grundgelenk des grossen Zehs.

Obschon also der Schmerz oft lokal im Fuss stattfindet, nimmt die Ursache ein grösseres Ausmass an. In der Physiotherapie richtet man sein Augenmerk unter anderem auf Hüft-, Knie- und Fussstatik oder schaut sich die Beinachsen-Problematik (etwa O- und X-Beine) an.

Ist der Leidensdruck hoch, kann man den Hallux valgus operieren. Was passiert da genau?

Bei jüngeren Patienten ist oft noch keine Arthrose erkennbar und es wird operiert, um das Gelenk zu erhalten. Ältere Patienten leiden meist schon unter Arthrose und somit unter starken Schmerzen oder gar einer Versteifung des Gelenks.

Hier werden Teile des Grundgelenks entfernt. Die Position der Knochen wird korrigiert und unter anderem mittels Knochenhaut und Kapselanteile stabilisiert. Nach der Operation werden die Patienten mit einem Vorfuss-Entlastungsschuh versorgt. Physiotherapie ist sowohl vor als auch nach einer Operation ratsam.

Im Röntgenbild dargestellt: ein Hallux valgus

Wie kann Physiotherapie konkret helfen?

Allgemein kann man, wie bei allen arthrotischen Veränderungen, den Degenerationsprozess nicht aufhalten. Fehlstellungen der Grosszehe sind je nach Ausmass nur bedingt beeinflussbar. Möchte der Patient nicht operieren, können innerhalb der konservativen Therapie entlastende und schmerzlindernde Massnahmen helfen.

Weiter liegt der Schwerpunkt auf der Mobilisation (Bewegungserweiterung und -erhalt) sowie gezielten Stabilisationsübungen. Im Anfangsstadium können Tape-Verbände und Lagerungsschienen für die Nacht Unterstützung bieten. Unbedingt ratsam ist eine Schuhberatung, um Fehlbelastungen zu vermeiden.