Im Bus Mails schreiben, an der Haltestelle Zeitunglesen und beim Lunch auf Facebook surfen: Wo man hinschaut, ist der Blick der Leute aufs Handy gerichtet. Ärzte warnen, dass die intensive Benutzung von Smartphones und Tablets zu Fehlhaltungen führen kann. Was hat es mit dem „Smartphone-Nacken“, dem „Text-Neck oder der „WhatsAppitis” auf sich und wie kann Physiotherapie helfen? Das erklärt Martina Broger, Zentrumsleiterin im Physiozentrum St.Gallen im Gespräch mit Physio-Bloggerin Rahel Landolt.
Martina, kommen tatsächlich Patienten mit der Diagnose „Smartphone-Nacken“ zu euch in die Praxis?
Nein, nicht genau mit dieser Diagnose. Einen „Smartphone-Nacken“ würde man im Physio-Jargon „muskulärer Hartspann im Nacken“, „Kopfschmerz mit Nackenverspannungen und Verdacht auf Triggerpunkte“ oder „Nackenschmerzen“ nennen.Bis jetzt ist allerdings noch keine Zunahme von Nackenbeschwerden beobachtbar, die explizit durch das Smartphone verursacht wäre; Da die Langzeiterfahrung fehlt, kann die Wissenschaft noch keine Aussagen über die Spätfolgen einer regelmässigen Smartphone-Benützung machen. Ich schliesse aber nicht aus, dass in ein paar Jahren vermehrt Nackenprobleme auftreten werden – ähnlich wie bei der Zunahme der Computernutzung.
Wie behandelt ihr diese Fälle?
Ich korrigiere die Haltung der Halswirbelsäule im Sitz und zeige dem Patienten Übungen, mit denen er die Nackenmuskulatur kräftigen kann. Ausserdem rate ich insbesondere den jüngeren Patienten, ihr Handy höher zu halten, als sie gewohnt sind.
Wieso besonders jungen Leuten – sind sie anfälliger auf Nackenprobleme?
Nicht wirklich, aber sie benutzen das Smartphone meist öfter als ältere Generationen. Und das Problem ist, dass man in den Jungendjahren nicht merkt, wenn man eine schlechte Haltung einnimmt. Es tut ja nicht weh. Die Folgen zeigen sich erst später. Deshalb sollten speziell Kinder und Jugendliche auf Haltungsfehler aufmerksam gemacht werden.
Was passiert medizinisch bei Fehlhaltungen im Nacken?
Unsere Wirbelsäule – also auch die Halswirbelsäule – ist so ausgerichtet, dass Gelenke und Bandscheiben möglichst ausgeglichen belastet werden. Sitzt man nun ständig mit rundem Rücken vor dem PC oder schaut mit weit nach vorne geneigtem Kopf auf das Smartphone, verschieben sich diese Belastungsvektoren nach hinten. Die hintere Nackenmuskulatur wird völlig überlastet und beginnt zu schmerzen. Bandscheiben und Gelenke werden über einen längeren Zeitraum fehlbelastet. Dies kann etwa zu Rücken- oder Schulterproblemen führen, zu Nacken- und Kopfschmerzen. Bei jahrelanger Fehlbelastung kann es gar zu einem Bandscheibenvorfall und zu übermässiger Abnutzung der Halswirbelgelenke kommen.
Du hast den Computer als mögliches Quell des Übels genannt. Gibt es Berufsgruppen, die besonders gefährdet sind?
Heute sitzt man in den meisten Berufen lange Zeit vor dem Computer. Da dies anstrengend ist, lässt man oft die Schultern fallen, macht einen runden Rücken und lässt den Kopf – der vier bis sechs Kilo wiegt – nach vorne kippen. Auch in handwerklichen Berufen kommt es oft zu Fehlbelastungen. Etwa, wenn man schwer trägt oder über längere Zeit die gleiche Arbeit ausführt, beim Malen beispielsweise auf die Decke schaut.
Diese App will “Smartphone-Nacken” vorbeugen: Hält der Nutzer das Smartphone in einem „akzeptierbaren“ Winkel, erscheint auf dem Bildschirm ein grünes Licht. Setzt er sich dem Risiko aus, einen „Text-Neck“ zu bekommen, erscheint ein rotes Licht.