Dry Needling wird oft mit Akupunktur verwechselt. Während Akupunktur aber Meridiane sticht, also energetisch behandelt, sticht man beim Dry Needling Triggerpunkte. Diese findet man in verhärteten Muskeln und strahlen Schmerzen aus. Annina Samtleben erklärt im Gespräch, wie sie so Kopf- und Schulterschmerzen oder Schwindel wegbringt.
Liebe Annina, Akupunktur und Dry Needling werden oft verwechselt. Was ist der Unterschied?
Das einzige, was gleich ist, sind die Nadeln. Bei der Akupunktur sticht man Meridiane, Reflex- oder eben Akupunktur-Punkte. Es ist eine rein energetische Massnahme. Sie wird denn auch eher von Masseuren und Naturheilpraktikern angewendet. Im Dry Needling hingegen denkt man an die Muskel- und Anatomiestruktur. Man sticht so genannte Triggerpunkte. Es gibt Untersuchungen die zeigen, dass sich gewisse Triggerpunkte mit Meridian- oder Reflexpunkten decken.
Was sind Triggerpunkte?
Triggerpunkte sind lokale, sehr verspannte Punkte in einem verhärteten Muskel. Typisch ist der lokale Druckschmerz und die Schmerzausstrahlung. Ein Schmerz hat den entsprechenden Triggerpunkt meist in einem entfernten Muskel. Das Ziel des Dry Needling oder auch der Triggerpunkttherapie ist es, dem Patienten die Verspannung zu lösen.
Was ist denn der Unterschied zwischen Dry Needling und der Triggerpunkttherapie? Man behandelt ja in beiden Therapieformen Triggerpunkte?
Bei der Triggerpunkttherapie therapiert man mit den Händen, bei Dry Needling mit Nadeln. Manuell kann man nicht ganz so punktgenau sein wie mit den Nadeln. Ausserdem reizt man durch den grossflächigeren Druck das darüber liegende Gewebe mehr.
Ist Dry Needling schmerzhaft?
Das ist sehr individuell. Es gibt Leute, die das Stechen sehr gut tolerieren, andere empfinden es als schmerzhaft. Das hängt auch davon ab, in welche Muskeln man stechen muss. Die Patienten sagen mir allerdings oft, dass “Nadeln” weniger schmerzt als “Triggern”.
Welche Schmerzen will man konkret beseitigen?
Kopf- und Nackenschmerzen, Schulter- und Armschmerzen, Überlastungen im Sport, Schwindel und vieles mehr. Die Triggerpunkte liegen oft in anderen Muskeln als der Schmerz. Es ist Aufgabe des Therapeuten, herauszufinden, welcher Triggerpunkt zu welchem Ausstrahlungsgebiet gehört. Bei Rückenschmerzen kann es sein, dass lokal der Rückenstrecker behandelt werden muss, vielleicht aber auch die Gesäss- oder Bauchmuskulatur oder sogar der Hüftbeuger.
Wie merkst du, ob du den richtigen Triggerpunkt gefunden hast?
Trifft man den Triggerpunkt, „twicht“ (das heisst zuckt) meist die Muskelfaser. Dann liegt man 100 Prozent richtig. Wie schnell man den Punkt findet, hängt von der Erfahrung des Therapeuten ab. Allerdings auch etwas auf die Proportionen des Patienten; Ist die Fettschicht dicker, kommt man weniger einfach an die darunter liegenden Muskeln.
Wie viele Punkte werden gestochen und wie oft muss der Patient zum Nadeln kommen?
Das ist sehr unterschiedlich. Einerseits hängt es davon ab, wie der Patient auf die Therapie anspricht oder ob beeinflussende Faktoren den Erfolg behindern., Andererseits hängt es von den Triggerpunkten selbst ab. Stört nur ein Punkt, steche ich einen. Im Schultertrakt etwa, wo sehr viele Menschen verspannt sind, nadle ich meistens zwei, drei Punkte. Gibt es tieferliegende Gründe für die Triggerpunkte, etwa eine schlechte Haltung oder Durchzug, dann nadle ich öfter als einmal. Bei Muskelverletzungen vom Sport gibt es mehrere Triggerpunkte. Da braucht es zwei, drei Sitzungen.
Wie lange dauert eine Sitzung?
Das Nadeln alleine dauert keine Minute. Wenn ich den Triggerpunkt getroffen habe, steche ich im Millimeterbereich um die Stelle noch herum. Hört es auf zu “twitchen”, ist genug genadelt. Darauf folgt der zweite Teil der Therapie. Man muss, wie wir sagen, den Muskel “ausbehandeln”, ausstreichen.
Gibt es Risiken?
Komplikationen kann es geben, wenn man in einen Nerv, ein Blutgefäss oder Gelenk sticht. Auch die Gefahr von Infektionen besteht. Deshalb wird Hygiene extrem grossgeschrieben. Es besteht auch die Gefahr eines Pneumothorax. Dass man in die Lunge sticht, ihr wie einem Ballon die Luft rauslässt. Im Normalfall ist Dry Needling aber absolut problemlos durchführbar.
Darf in jedem Fall gestochen werden?
Nicht behandelt werden dürfen Bluter oder Menschen, die blutverdünnende Medikamente einnehmen. In der Schwangerschaft darf nicht gestochen werden. Wenn jemand eine Infektion, etwa Fieber oder Grippe hat, darf man nicht behandeln. Oder wenn jemand an der zu behandelnden Stelle eine offene Wunde hat. Bei Krebs wird nicht genadelt, da das Immunsystem stark geschwächt ist.