Suena Jörg wollte ursprünglich Köchin werden. 2018 begann sie ihre Lehre. Der Job verlangte ihrem Körper einiges ab, sie erlitt einen Hexenschuss. Normalerweise eine unkomplizierte Diagnose, von der sich der Körper wieder erholt. Bei Suena verschlimmerten sich aber die Symptome.

Funktionelle Paraplegie als Folge eines Hexenschuss

Zunächst sind die Schmerzen im Rücken stärker geworden, dann breiteten sie sich weiter aus, sodass Suena ihren Rücken nicht mehr normal belasten konnte. Die konstanten Ausweichbewegungen und Fehlbelastungen führten zu einem massiven Kraftverlust. Am Ende war davon ihre ganze linke Körperhälfte betroffen.

Suena musste starke Schmerzmittel einnehmen und mit einer intensiven Rehabilitation in diversen Spitälern und Rehakliniken beginnen. Die genaue Ursache der Halbseitenlähmung konnte ihr allerdings keiner der Ärzte und Ärztinnen nennen.

Ihr Zustand blieb frustrierend: Massive Rückenschmerzen und Kraftverlust im linken Arm und linken Bein. Gehen war ohne Hilfsmittel nicht mehr möglich, geschweige denn Treppen steigen. Auch den Rucksack für die Schule konnte sie kaum noch tragen. An ihre Hobbys wie Skifahren und Joggen war gar nicht erst zu denken und im Haushalt konnte sie nur noch einfache Dinge erledigen.

 

Neue Lehrstelle im Büro

Auch im Job waren die Beschwerden zu viel: Schlussendlich musste Suena ihre Kochlehre im Januar 2020 abbrechen. Es blieb nur noch eine Umschulung um beruflich endlich Fuss zu Fassen. Sie schnupperte in diversen Berufen. Interessiert hätte sie vieles, doch für die Arbeitgeber waren die Rückenbeschwerden und ihr gesundheitlicher Zustand oft ein zu hohes Risiko.

2021 fand Suena schliesslich eine Lehrstelle im kaufmännischen Bereich, die körperlich weniger belastend und dennoch spannend war. Sie ist jetzt im dritten Lehrjahr und kann sich ihre berufliche Zukunft neu aufbauen.

Harte Reha-Zeiten

Unsicherheit und Skepsis prägten die Anfänge von Suenas Reha. Sie zweifelte häufig, ob sie jemals Fortschritte machen würde. Denn nicht alle Ärzte waren optimistisch; sie gingen davon aus, dass sich an Suenas Situation kaum noch etwas ändern liesse. Sie rieten ihr, sich mit der Situation abzufinden.

Die vielen Aufenthalten in Spitälern und Rehakliniken waren kräftezehrend. Sie fühlte sich manchmal im Stich gelassen: In den Therapien war sie immer wieder auf sich allein gestellt. Daher machte sie nur wenige Fortschritte.

Starker Wille

Den seltenen Erfolgsmomenten und vielen pessimistischen Meinungen der Ärzteschaft zum Trotz, wollte sich Suena aber nicht mit der Situation abfinden. Sie wollte wieder Gehen können, und zwar ohne Hilfsmittel. Sie wollte wieder in der Stadt spazieren, mit ihrem Hund unterwegs sein, joggen, Ski fahren und ein Leben ohne Schmerzen führen.

Mit ihrem Willen und ihrer positiven Einstellung suchte sie ihren eigenen Weg. Sie blieb am Ball und suchte stetig nach neuen Therapien – bis sie schliesslich fündig wurde.

Die Erkenntnis: Die Bewegungen funktionieren noch

Die wichtige Erkenntnis kam auf einem Speziallaufband der Schweizer Paraplegiker-Zentrum in Nottwil: Das Laufband nahm ihr eigenes Körpergewicht ab, sodass sie das erste Mal seit dem Hexenschuss beschwerdefrei gehen konnte. Dort merkte sie, dass die Bewegungen immer noch funktionieren: Das Kommando ihres Gehirns kam in ihren Beinen an. Sie spürte, dass das Problem ihrer Paraplegie ein Kraftproblem war. Eine konkrete Herausforderung, an dem man arbeiten konnte und ihr viel Mut gab. Endlich erlebte Suena dank der Hilfe des Paraplegiker-Zentrums erste Fortschritte!

Mit Krafttraining wieder Gehen lernen

Es folgte ein anstrengendes Krafttraining. Sie trainiert seitdem häufig und regelmässig, um die Kraft in ihrer linken Körperhälfte wieder aufzubauen und so die Kraftdefizite gegenüber der rechten Seite auszugleichen.

Sie lernte, die kleinen Fortschritte zu schätzen und sie als Zwischenziele anzuerkennen. So schaffte sie es bald, mit normalen Wanderstöcken kurze Strecken zu gehen. Für Suena ein grosser Erfolg!

 

Familie, Freunde und Hobbys sorgten für positive Energie

Auch kreative Hobbys, die sie in der dieser Zeit neu entdeckt hatte, haben Suena Mut gegeben. Mit Zeichnen und Basteln schuf sie sich eine mentale Stütze, aus der sie Kraft für ihre Rehabilitation ziehen konnte. Besonders ihre Freunde gaben ihr viel Rückenwind und unterstützten sie, wann immer sie sie brauchte.

Krafttraining in der Physiotherapie

Suena trainiert heute bereits selbstständig in der Medizinischen Trainingstherapie (MTT). Zusammen mit Physiotherapeutin Valeria Curtins hat sie im Physiozentrum schon viel erreicht: Den Rucksack kann sich Suena ohne Probleme auf den Rücken schnallen und damit wieder selbstständig zur Berufsschule gehen. Ausserdem hat sie mit Aquafit eine Sportart gefunden, die ihr Spass macht und bei der sie sich einfach bewegen kann.

Ihr grösster Erfolg ist aber das Gehen. Sie schafft es bereits 30 Minuten in der Stadt zu spazieren und sich dabei sicher zu fühlen. Die Hilfsmittel lässt sie dabei zuhause. Ihr Gleichgewicht hat sich soweit verbessert, dass sie sich stabil und sicher fühlt.

Sogar in der Vertikale fühlt sie sich inzwischen wohl: Beim Bouldern schafft sie es souverän, sich an der Kletterwand nach oben zu arbeiten.

Nach wie vor bleibt Suena weiter am Krafttraining dran. Das Kraftdefizit ist noch nicht ausgeglichen. Dank der Physiotherapie weiss sie heute, was sie alles erreichen kann und wie sie ihre Ziele erreicht.