«LEDI, der Optimist», so antwortet Thomas Ledergerber auf die Frage, welche Worte ihn am besten beschreiben würden. Der gebürtige St. Galler mit geschwungenem Schnauz erleidet am 26. Juli 2018 einen schweren Trainingsunfall auf dem Velo, der sein Leben innerhalb eines Wimpernschlags auf den Kopf stellt. Es folgt eine Zeit mit zahlreichen Operationen, mit Hoffen und Bangen. Das ist seine Geschichte.

Thomas, erzähl uns was über dich …

Ich wohne und arbeite in Zuzwil, betreibe dort mit meiner Frau zusammen ein Architekturbüro. Ich bin leidenschaftlicher Triathlet und liebe auch das Telemarken. Zudem schätze ich einen edlen Tropfen und gutes Essen.

Was weisst du noch vom Unfall?

Ich werde während einer Trainingsfahrt mit meiner Triathlonmaschine von einer Autofahrerin frontal abgeschossen. Die Autofahrerin fährt über einen Bahnübergang, schneidet die Kurve und übersieht mich dabei. Beim Auto ist die Frontscheibe total demoliert und die Dachstrebe hat eine Delle von meinem Aufprall.

Das alles passiert innert Sekunden …

Es geht alles so schnell. Ich realisiere den Unfall erst, als ich auf der anderen Strassenseite am Boden liege. Ich kann mich kaum mehr bewegen. Zusammen mit einem Passanten versuche ich, mein Handy aus dem Trikot zu grabschen und meine Frau anzurufen. Irgendwann schaffe ich das dann.

Erzähl weiter …

Die Hilfe via Rettungswagen kommt und der Rettungssanitäter entscheidet sofort, die REGA aufzubieten. Zwischenzeitlich ist meine Frau am Unfallplatz eingetroffen. In meiner misslichen Lage kann ich nur ihre Stimme hören und ihre Waden sehen. Anschliessend weiss ich nur noch, dass man mich in den Helikopter verfrachtet hat. Am darauf folgenden Morgen komme ich dann im Aufwachraum des Spitals zu mir.

Was war das Schlimmste nach deinem Unfall?

Ich wollte eigentlich keine «schlimmsten Momente» oder «Tiefpunkte» aufkommen lassen und dabei hat mir meine Frau sehr geholfen! Klar, es gab es immer wieder Höhen und Tiefen. Vor allem dann, wenn ich nach Kontrollbesuchen im Spital wieder mit schlechten Nachrichten konfrontiert wurde.

Juli und August 2018

Nachrichten welcher Art?

Eines der Probleme war, dass mein Oberschenkelknochen nicht mehr zusammenwachsen wollte. Das war ziemlich bedrückend. Da ich aber Bewegung liebe, habe ich mir nicht den Kopf darüber zerbrochen, ob ich jemals wieder Skifahren kann. Viel eher dachte ich an meine nächste Abfahrt mit einem gesunden Bein.

Irgendwann ist der Knochen geheilt …

Glücklicherweise haben sich meine Knochenteile nach drei Operationen doch noch entschieden, zusammenzufinden. An dieses erfreuliche Röntgenbild und den positiven Bescheid des Arztes kann ich mich gut erinnern. Meine Frau und ich waren extrem erleichtert und ich freute mich riesig aufs Reha-Training!

September 2019

Wie sah das Reha-Training aus?

Meine ersten Versuche auf dem Laufband, im Frühjahr 2020, waren sehr ernüchternd. Ich schaffte es gerade ein bis zwei Minuten zu laufen, dann war Schluss. Glücklicherweise bekam ich hier Unterstützung einer Bewegungswissenschaftlerin! Sie hat mich in Sachen Krafttraining und Ganganalyse sehr gut beraten. Im letzten Winter bin ich wieder auf meinen geliebten Telemark-Skis gestanden und es hat funktioniert. Für mich war dies ein absoluter Höhepunkt und irgendwie ein erstes sportliches Teilziel.

Wolltest du wieder Wettkämpfe bestreiten?

Ob ich wieder Wettkämpfe machen wollte oder konnte, wusste ich nicht. Ich blieb aber dran. Im Hinterkopf war das Thema Triathlon natürlich noch immer präsent und ich wollte meinen Körper darauf vorbereiten. Meine Aktivitäten bestanden im Wesentlichen aus Kraftraum, Velotraining, Yoga, Nordic-Walking, leichten Läufen, Schwimmen (je nach Corona) und Telemarken im Winter.

Ging’s schnell bergauf?

Alles braucht seine Zeit. Die Bewegungsabläufe funktionierten immer besser und meine Zuversicht wuchs, dass ich wieder einmal einen Triathlon absolvieren würde. Was man aber sagen muss: Der Unfall, die Verarbeitungen des Unfalls und der Aufwand bis zum jetzigen Formstand gingen an die Substanz. Ich brauche zum Beispiel auch wesentlich mehr Erholungszeit als vor dem Unfall. Aber ich habe es geschafft. Nach vielen Ups and Downs, mit harter Arbeit und dem Support meines Umfelds stand ich drei Jahre nach dem Unfall (2021) an der Startlinie des Linthathlons.

Juli 2021

Wie geht es dir heute?

Mir geht es sehr gut. Ich bin unendlich dankbar, dass ich wieder «alles» machen kann. Gut, sportlich ist es nicht mehr wie früher. Aber es macht einfach Spass, sich wieder zu bewegen. Mein Arzt hat mir nach meinem Comeback beim Lintathlon folgendes gesagt: «Ich war überzeugt, dass du nie mehr an einem Wettkampf teilnehmen wirst.»
Ich denke, dass man mit einer guten Portion Optimismus, Trainingsfleiss und gutem Willen viel erreichen kann. Ich schaue hin und wieder zurück und bin allen Personen extrem dankbar, die mich auf meinem Weg «zurück» an meiner Seite gestanden haben. Mit meiner Frau hatte ich schon immer ein gutes Verhältnis, doch der Unfall hat uns noch mehr zusammengeschweisst. Der Vorfall hatte also auch viel Positives.

Und ready für den nächsten Triathlon?

Ja, ich denke schon. 2021 habe ich zweimal an einer Startlinie gestanden, im Juli beim Sprint-Triathlon in Benken und im August am Alpe d’Huez-Triathlon in Frankreich. Was soll ich sagen, es hat einfach nur Spass gemacht. Was ich dieses Jahr machen werde, weiss ich noch nicht so genau. Wenn es Corona zulässt, so würde ich gerne Ende April beim «Weissen Rausch» in St. Anton am Arlberg starten. Dies ist eine Skiabfahrt, abends ab 16.30 Uhr, wenn alle Lifte abgestellt haben. Es wird in drei Startblöcken à ca. 200 Fahrern gestartet. Die Strecke führt von der Valluga-Bergstation bis ins Tal nach St. Anton und die Piste wird nicht speziell präpariert. Dieses Rennen habe ich schon 3-mal auf meinen Telemark-Skis bestritten. Ich hoffe einfach, dass ich weiterhin gesund bleibe und freue mich auf das, was kommt!

August 2021

Deine Tipps, wenn jemand dasselbe wie du durchmachen musst …

Nie die positive Einstellung verlieren. Den Heilungsprozess in kleinen Schritten angehen und sich an jedem – noch so kleinen – Fortschritt freuen. Kein Selbstmitleid aufbauen und immer daran denken, dass es viele Menschen gibt, die viel Schlimmeres durchmachen. Sich freuen an der Teilnahme seiner Freunde und Angehörigen. Dankbarkeit zeigen.