Seit 80 Jahren findet in Zürich der Leichtathletik-Event Weltklasse Zürich statt. Für uns Grund genug, typische Verletzungs- und Gefahrenquellen zu eruieren und Tipps zu geben, wie man den Sport mit viel Spass und ohne Schmerzen ausüben kann.

Victoria, welche Verletzungen sind in der Leichtathletik besonders häufig?
Victoria Dändliker: Die häufigsten Verletzungen sind Muskelzerrungen, Sehnenentzündungen und beschädigte Gelenkbänder. Die grösste Gefahr geht dabei von einer Übermüdung und Überbelastung aus – dann, wenn die Grenzen des Körpers nicht ernstgenommen werden. Ebenso gefährlich kann eine insuffiziente Ausübung der Technik sein. Je nach Disziplin variiert der Trainingsschwerpunkt, damit auch die Verletzungsart.

Gibt es prominente Beispiele?
Ganz aktuell ist sicher der Fall von Fabienne Schlumpf, der Schweizer Langstrecken- und Hindernis-Läuferin. Eine Stressfraktur im Fuss verpasst der 28-jährigen Zürcherin, die sich bei der EM die Zweitplatzierung im 3000m Steeple sicherte, eine Zwangspause.
Ebenfalls in Erinnerung geblieben ist der Kreuzbandriss der Schweizer Hürdensprinterin Noemi Zbären, die ein Jahr pausieren musste. 2018 beendete Hürdensprinterin Lisa Urech ihre Karriere, nach dem sie eine Reihe von Verletzungen wegstecken musste – unter anderem eine Zerrung des hinteren Kreuzbandes (2013), Beschwerden mit dem Becken und der hinteren Oberschenkelmuskulatur und eine Hüftoperation. Unvergessen bleibt in diesem Zusammenhang sicher auch Usain Bolt – der Ausnahmesportler schied bei seinem letzten Rennen, bei dem er die 12. WM-Medaille anpeilte, wegen eines Muskelrisses im Oberschenkel frühzeitig aus.

Klingt, als sei die Leichtathletik ein gefährlicher Sport. Wo verbergen sich bei den einzelnen Laufsportarten die grössten Gefahrenquellen?
Beim Sprint ist meist die Oberschenkelrückseite betroffen, aber auch Muskelverletzungen auf der Oberschenkelvorderseite können auftreten. Ausserdem verbreitet sind Arthrose der Grosszehen, der Hallux Rigidus und Rupturen der Achillessehne.
Bei der Mittelstrecke (800-1600m) entsteht häufig eine Überbelastung der Achillessehne und Stressfrakturen im Mittelfuss und Schienbein.
Die Langstrecke (ab 1600m) birgt ähnliche Gefahren wie die Mittelstrecke. Meniskusschäden und chronische Entzündungen in Folge von Abnutzung und Überbelastung sind keine Seltenheit.

Kann man diesen Verletzungen vorbeugen?
Der präventive Aspekt wird oft unterschätzt. Die Gelenke sollten sanft beansprucht werden, ausserdem hilft ein Krafttraining für Rumpf, Arme und Beine. Es sollte integriert werden in ein regelmässiges Ausdauertraining. Und ebenfalls wichtig: Das Aufwärmen vor dem Training. Die Muskulatur sollte vorbereitet werden.

Wie zeigt sich eine Überbelastung oder Übermüdung?
Das Übertraining wird meist begleitet von einem zu hohen Enthusiasmus. Sportlerinnen und Sportler übertreiben und merken nicht, dass sie ihrem Körper Schaden zufügen. Bemerkbar macht sich eine ungesunde Entwicklung vor allem in einem unregelmässigen Ruhepuls, einem Abfall der gewohnten Leistung, einem Stagnieren der Leistung, einer tief greifenden Müdigkeit, der fehlenden Motivation und einem schlechten Schlaf.

Was kann man also tun, um das zu vermeiden?
Steigern Sie langsam die Belastung und setzen Sie hochintensives Training nur sehr dosiert ein. Achten Sie auf Körpersignale wie Müdigkeit und ein Abfallen der Leistung. Das sind Warnsignale, die darauf aufmerksam machen, wie wichtig eine ausreichende Regenerationszeit ist.

Wie kann die Physiotherapie helfen – gerade im Spitzensport, wenn Verletzungen oder Ermüdungserscheinungen auftauchen?
Eine spezifisch ausgebildete Sport-Physiotherapeutin kann den Trainingsaufbau viel adressierter gestalten. Aber nicht nur der physische Aspekt ist wichtig. Eine elementare Aufgabe ist auch der mentale Aufbau. Sportlerinnen und Sportler müssen nach einer (schwerwiegenden) Verletzungen wieder langsam an den Sport herangeführt und motiviert werden. Positive Gedanken in Bezug auf die Verletzung sollen sich einstellen, damit Kopf und Körper auch unterbewusst wieder auf Erfolg und Heilung eingestellt, respektive programmiert werden. Bei der Begleitung eines Profisportlers ist die Zusammenarbeit zwischen Trainer und Physiotherapeutin äussert wichtig. Aufgaben überschneiden sich, um eine schnellst mögliche Rückkehr in den Sport zu gewährleisten.

Gibt es eine Empfehlung, wie man bei einer akuten Sportverletzung handeln soll?
Ja, die gibt es. Das Leitwort nennt sich RICE – es steht für die englischen Begriffe Rest, Ice, Compression und Elevation. Das heisst: Gönnen Sie sich eine Pause, kühlen und bandagieren Sie wenn möglich, und lagern Sie – sofern es sich um ein verletztes Bein oder einen verletzten Arm handelt, hoch.