Morbus Bechterew ist auch bekannt unter der Bezeichnung Spondylitis ankylosans oder ankylosierende Spondylitis (=AS). Es handelt sich um eine chronisch entzündliche, rheumatische Erkrankung. Die moderne Medizin kennt noch immer keine genaue Erklärung für die Krankheitsursache.

Männer und Frauen sind von der Krankheit gleichermassen betroffen. Die ersten Symptome treten meistens zwischen 15 und 25 Jahren auf. Bis zur endgültigen Diagnosestellung vergehen dann durchschnittlich sechs Jahre und trotzdem werden von den circa 70’000 Betroffenen in der Schweiz vermutlich nur 10’000 richtig diagnostiziert.

Wie entsteht Morbus Bechterew?

Der Erkrankung liegt eine Störung des körpereigenen Abwehrsystems zugrunde. Morbus Bechterew zählt darum zu den Autoimmunerkrankungen. Dabei bildet das Immunsystem Antikörper gegen eigene Körperzellen. Diese immunologische Fehlsteuerung führt zu Entzündungen.

Spondylitits ankylosans wird mit dem sogenannten HLA B27 Antigen und mit anderen chronisch, entzündlichen Erkrankungen assoziiert. Bei ca. 90% der Morbus Bechterew Patienten wird dieses Antigen gefunden. Das Risiko dieses HLA B27 Antigen auf Kinder zu vererben beträgt 50%. Deshalb tritt die Erkrankung familiär gehäuft auf.

Das Iliosakralgelenk verbindet das Becken (=Ilium) mit dem Kreuzbein (=Sacrum) der Wirbelsäule. Dieses Gelenk ist als erstes von der entzündlichen Erkrankung betroffen. Die Entzündung wandert dann auf Sehnen und Bänder der Wirbelsäule über. Patienten mit AS lagern Kalzium in den Bändern zwischen und um die Bandscheiben ein. Diese Einlagerungen führen in weiterer Folge zu Verknöcherungen. Wenn die Krankheit bereits stark fortgeschritten ist, sind die einzelnen Wirbel und Bandscheiben miteinander verwachsen. Man spricht von der sogenannten „Bambuswirbelsäule“.

Morbus Bechterew

Entzündung der Iliosakralgelenke (Sakroilitis)

Symptome

Typisch für AS ist der entzündliche Rückenschmerz. Zu Beginn der Erkrankung wird der Schmerz in den Becken-Kreuzbeingelenken und der Gesässregion wahrgenommen. Später breitet sich der Schmerz häufig auf die gesamte Wirbelsäule aus.

Die Erkrankung führt zu strukturellen und funktionellen Einschränkungen. Das bedeutet, dass die einzelnen Wirbelgelenke mit der Zeit immer steifer und empfindlicher werden. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule ist dann eingeschränkt und gewisse Alltags- oder Sportbewegungen sind nicht mehr möglich. In weiterer Folge beeinflusst das die Lebensqualität der Patienten stark.

Häufig wird nicht beachtet, dass AS auch Schmerzen in anderen Gelenken verursachen kann. Hüfte, Knie, Sprunggelenk, Schulter und Nacken sind oft zusätzlich betroffen.

Weitere Zeichen können auf eine AS- Erkrankung hindeuten:

  • Morgensteifigkeit in der Wirbelsäule und eventuell in anderen Gelenken von mehr als 30 Minuten
  • Nächtliches Erwachen in der zweiten Hälfte der Nacht
  • Schmerzen und Steifigkeit verbessern sich bei Bewegung und verschlechtern sich bei Inaktivität
  • Die Krankheit kann das Herzkreislaufsystem und die Verdauung negativ beeinflussen
  • 25% der Patienten geben Probleme mit den Augen an.
  • Die Steifigkeit der Wirbelsäule und des Brustkorbs kann Probleme beim Atmen bereiten

Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung hilft, den Schmerz und die Bewegungseinschränkung in Schach zu halten und beugt Gelenksdeformitäten vor.

Die Wirbelsäule versteift sich im Krankheitsverlauf. Dadurch verändert sich auch die Beweglichkeit und die Körperhaltung

Diagnosestellung

Die Diagnose erfolgt durch mehrere Untersuchungsschritte: Eine Patientenbefragung, eine körperliche Untersuchung, einen Laborbefund und bildgebende Verfahren, wie zum Beispiel ein Röntgenbild. Standardisierte Fragebögen werden zusätzlich genutzt, um die Lebensqualität und weitere Faktoren zu erheben.

Normalerweise beinhaltet die Laboruntersuchung einen Bluttest, um das HLA- B2 Antigen oder andere Substanzen, die auf einen entzündlichen Prozess hindeuten, nachzuweisen. Das HLA B27 Antigen ist bei circa 90% der AS- Patienten positiv. Ein positives Ergebnis bestätigt aber nicht automatisch eine Erkrankung mit Morbus Bechterew, da dieses Antigen auch bei vielen anderen, entzündlichen Erkrankungen der Gelenke oder des Verdauungssystems auftritt.

Was tun bei Morbus Bechterew?

Medikamentöse Behandlung

  • Nichtsteroidale Antirheumatika (=NSAR) klingt kompliziert. Es handelt sich aber einfach um entzündungshemmende, schmerzlindernde Medikamente, die Patienten mit Morbus Bechterew erhalten. Falls die Einnahme dieser Medikamente aus verschiedenen Gründen nicht möglich oder wirksam ist, können Cortisonspritzen oder andere Medikamente verwendet werden.
  • Weitere Medikamente wie „Tumornekrosefaktorhemmer“ oder „Biophosphonate“ bringen positive Erfolge bei Patienten mit AS. Da alle Medikamente starke Nebenwirkungen haben, muss vorher sichergestellt sein, dass die Einnahme dieser Medikamente gesundheitlich möglich ist.

Nicht-medikamentöse Behandlung

  • Gute Schlafposition auf einer guten, flachen Matratze ohne Kissen
  • Häufige Bauchlage
  • Einhalten von Ruhepausen im Alltag
  • Verwendung von Korsetts ohne Schienen (immer in Kombination mit Training)
  • Auch Spa-Behandlungen zeigten in Studien positive Effekte auf Schmerz, Steifigkeit und Wohlbefinden der Patienten. Die optimale Dauer ist vier Wochen.

Wie hilft die Physiotherapie bei Morbus Bechterew?

Die Physiotherapie ist ein wichtiger Bestandteil in der Behandlung von Patienten mit AS. Ihr Physiotherapeut wird anfangs mit Ihnen eine genaue Befragung durchführen, um mögliche Probleme in Ihrem Alltag und Schmerzen zu erfahren.

Zur Beurteilung der Beweglichkeit Ihrer Wirbelsäule, aber auch als Messparameter für den Erfolg der Therapie, kann Ihr Physiotherapeut standardisierte Messverfahren, wie zum Beispiel den Schober-Test durchführen. Die Beweglichkeit aller anderen Gelenke wird ebenfalls getestet. Danach wird er mit Ihnen gemeinsam Ziele setzen und die geeigneten Therapiemethoden auswählen

Folgende Ziele werden angestrebt

  • Schmerzen sollen gelindert oder gänzlich reduziert werden.
  • Die Haltung wird optimiert.
  • Die Beweglichkeit der Wirbelsäule soll erhalten oder gesteigert werden.
  • Die Funktion der Wirbelsäule im Alltag und bei gewissen Bewegungen wird verbessert.
  • Die Morgensteifigkeit soll auf ein Minimum reduziert werden.
  • Mit Hilfe von Bewegung soll auch die psychosoziale Situation der Patienten verbessert werden.

Folgende Methoden werden angewandt:

Untersuchungen haben ergeben, dass globale, funktionsbezogene, haltungsverbessernde Übungen bei Patienten mit AS viel besser wirken als Übungen, die sich nur auf einen Bereich, z.B. den Schmerzbereich konzentrieren. Bewegungen, die Streckung und Rückbeugen der Wirbelsäule beinhalten, sind Hauptbestandteil des Übungsprogramms und sollten zweimal täglich durchgeführt werden. Alle anderen Gelenke des Körpers sollten ebenfalls endgradig bewegt werden, um die volle Beweglichkeit zu erhalten und Verkürzungen der Muskulatur zu vermeiden.

Die Lungenfunktion ist für die Lebensqualität enorm wichtig. Deshalb kann auch Atemtherapie hilfreich sein. Die Atemhilfsmuskulatur kann zusätzlich separat trainiert werden. Passive Mobilisationstechniken verbessern die Beweglichkeit des Brustkorbs und somit auch die Lungenfunktion.

Ein regelmässig durchgeführtes Übungsprogramm mit Haltungskorrektur kann meist das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen oder gar stoppen.  Studienergebnisse zeigen, dass Patienten am besten auf die Behandlung reagieren, wenn die Übungsprogramme in Gruppen mit anderen Patienten durchgeführt werden. Gerne gibt Ihnen Ihr Therapeut Empfehlungen, welche Gruppen für Sie geeignet sind.

Als Sportarten sind Aerobic und Schwimmen sehr empfehlenswert. Studien zeigen, dass sich die Beweglichkeit des Brustkorbs, die Sauerstoffaufnahme und die Ausdauerfähigkeit dadurch verbessern.