Schwindel, in der medizinischen Fachsprache auch Vertigo genannt, beeinträchtigt das Leben der Betroffenen stark. Schwindel ist gar nicht selten: Circa 20% aller Patienten, die eine Hausarztpraxis aufsuchen, klagen über Schwindel. Bei über 65-jährigen sind es sogar fast 40%.

Anatomie

Das Gleichgewichtsorgan ist Bestandteil des Innenohrs. Zum menschlichen Gleichgewichtsorgan (Vestibularorgan) gehören:

  • 3 Bogengänge: Wahrnehmung von Drehbeschleunigungen.
  • Grosses und kleines Vorhofsäckchen (Makulaorgane): Wahrnehmung von linearen Beschleunigungen.

Die Bogengänge und die Vorhofsäckchen bilden das mit Flüssigkeit gefüllte Labyrinth. Darin befinden sich Sinneszellen. Diese nehmen Flüssigkeitsbewegungen durch Lageveränderung wahr. Für die bewusste Orientierung im Raum sind neben dem vestibulären System auch das visuelle System (Sehsystem) und das propriozeptive System (Tiefensensibilität= Wahrnehmung von Reizen aus dem Körper) verantwortlich.

Das Gleichgewichtsorgan ist Teil vom Innenohr

Ein Grossteil der vestibulären Informationen gelangt mit Reizen aus dem visuellen und propriozeptivem System über einen Hirnnerv zum Hirnstamm. Die verarbeiteten Informationen werden in unterschiedliche Bereiche des Gehirns weitergeleitet, wo entsprechende Reaktionen ausgelöst werden.

Das Gleichgewichtsorgan dient der Registrierung von Beschleunigung und Lageveränderung, sowie Orientierung im Raum. Ausserdem reguliert es die Steuerung der Augen.

Einteilung und Formen

Schwindel ist nicht gleich Schwindel. Je nach Ursache können verschiedene Schwindelformen, beziehungsweise Symptom- und Funktionsgruppen unterschieden werden:

  • Gleichgewichtsstörungen: Betrifft die Kontrolle des Körpers im Raum.
  • Lagerungsschwindel: Drehschwindelattacken bei Lageveränderungen.
  • Visuelles System: Sehstörungen mindern die räumliche Orientierung, sowie Gang- und Standsicherheit.
  • Vestibuläre Dysfunktion: Innenohr-, Nerven- und Kleinhirnfunktion als Problemauslöser.
  • Somatosensorische Defizite: Verminderte Rückmeldung der Lage- und Bewegungsrezeptoren beziehungsweise des visuellen oder vestibulären Systems an das Gehirn.
  • Zervikogener Schwindel: Die Halswirbelsäule gilt als Auslöser.
  • Herz-Kreislaufsystem: Bei Lagewechsel (z.B. vom Liegen in den Stand) sinkt der Blutdruck ab und führt zu Minderversorgung wichtiger Hirnareale.
  • Emotionelle Beteiligung: Psychische Störungen, Angstverhalten und Unwohlsein können alleinige Ursache sein oder in Kombination auftreten. Ein häufiger, auslösender Faktor ist Stress.
  • Multifaktorieller/chronischer Schwindel: Vor allem bei älteren Patienten hat der Schwindel oft verschiedene Ursachen.

Physiotherapie hilft bei Schwindel

Entstehung

Bestimmte Krankheiten und Auslöser können Schwindel verursachen oder verstärken. Beispiele hierfür sind:

  • Passive Bewegung (z.B. Transporte mit Auto oder Schiff)
  • Medikamente
  • Verletzungen der Halswirbelsäule oder des Kopfes, z.B. Schleudertrauma
  • Blutdruckschwangungen oder Herzrhythmusstörungen
  • Schlaganfall und kleinere Hirnblutungen
  • Diabetes Mellitus
  • Psychische Erkrankungen
  • Migräne
  • Abnahme der Sehkraft (häufig 40- bis 50-jährige Patienten)

Symptome

Bei Schwindel handelt es sich um eine Scheinbewegung zur Umwelt. Betroffene haben das Gefühl, dass sich der eigene Körper dreht oder der Boden schwankt und fühlen sich benommen.
Zusätzlich leiden Schwindelpatienten häufig unter Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Ohrgeräuschen, Sehstörungen (Nystagmus) und Gleichgewichtsstörungen mit Gangunsicherheit oder erhöhtem Risiko für Stürze. Angstgefühle treten oft als Begleiterscheinung auf.

Diagnosestellung

Ihr Hausarzt entscheidet über die Diagnose und geeignete Therapie oder eventuell nötige weitere Abklärung durch einen Facharzt.

Was tun bei Schwindel?

Bei häufig auftretendem oder bereits seit länger bestehendem Schwindel, sollten Sie unbedingt einen Arzt aufsuchen. Was Sie selbst zusätzlich tun können? Achten Sie unbedingt auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr und versuchen Sie, wenn bekannt, symptomauslösende Situationen (z.B. Schifffahrten) zu vermeiden.

Wie hilft Physiotherapie bei Schwindel?

Am Anfang der Therapie wird eine genaue Befragung mit einer anschliessenden Untersuchung durchgeführt. Fragebögen und spezielle Tests helfen den Erfolg der Therapie möglichst objektiv zu beurteilen. Ein häufig verwendeter Fragebogen ist der DHI (Dizziness Handicap Inventory). Er erfasst Symptome und Behinderungen im Alltag bei Schwindel und Gleichgewichtsproblemen.

Neben den Symptomen und individuellen Beschwerden spielen vor allem die eingeschränkten Aktivitäten eine grosse Rolle. Die anfängliche Untersuchung stellt den wichtigsten Teil der Therapie dar, denn je nach Schwindelform wird die Behandlung individuell festgelegt.

Bei Gleichgewichtsstörungen kommt zum Beispiel spezifisches Gleichgewichtstraining zum Einsatz, bei Lagerungsschwindel wendet der Therapeut sogenannte Lagerungsmanöver an. Ist die Halswirbelsäule Problemauslöser, so können beispielsweise aktive Stabilisationsübungen oder manuelle Therapie helfen.

Gleichgewichtstraining bei Schwindel

 

Ihre Geduld und aktive Mithilfe ist gefragt! Da Schwindel ein sehr komplexes Problem ist, braucht es oft mehrere Behandlungen und viel Zeit. Mit gezielten Alltagsstrategien können die Symptome aber schon anfangs deutlich gelindert werden. Grundsätzlich ist die Aussicht auf Heilung gut. Besonders bewegungs- und lagerungsabhängiger Schwindel ist mit Physiotherapie gut behandelbar. Studien zeigen, dass durch Physiotherapie eine deutliche Verbesserung der Symptome und der Lebensqualität erreicht wird. Die Prognose hängt von der aktiven Mithilfe des Patienten, auch ausserhalb der Therapiezeiten, ab.