Nackenverspannungen, Beschwerden im Schulter-Nackenbereich, HWS-Syndrom oder Zervikalgie: Es gibt viele Begriffe, die Schmerzen bzw. Beschwerden im Hals-, Nacken- und Schultergürtelbereich beschreiben, wobei diese oft auch in die Arme und sogar bis zu den Fingern ausstrahlen können.

Studien zeigen, dass während der Corona-Pandemie die Häufigkeit zugenommen hat: 23.5% der Personen im Home-Office klagen über Nackenbeschwerden und bei 50% wurden die Schmerzen sogar schlimmer. Obwohl diese Beschwerden in den allermeisten Fällen nicht lebensbedrohlich sind (ganz seltene Ausnahmen sind abgeklemmte Arterien oder gravierende Defekte an der Wirbelsäule), können sich Nackenschmerzen negativ auf die Produktivität und die Lebensqualität auswirken.

Wie hilft die Physiotherapie bei unspezifischen Nackenschmerzen?

Eine Zusammenfassung vieler aktueller Studien zum Thema bestätigt, dass mit sogenannter «multimodaler Physiotherapie» der Nackenschmerz am besten in den Griff zu bekommen ist. Das bedeutet: Genauso wie die Faktoren, die Nackenschmerzen beeinflussen und verursachen können, vielfältig sind, soll die Therapie auch keinesfalls auf nur eine Behandlungstechnik oder Methode beschränkt sein:

  • Ein professionell angeleitetes (Heim-)Übungsprogramm zusammen mit umfassender Beratung ist laut Studien deutlich effektiver oder zumindest gleich wirksam wie die Einnahme von Medikamenten oder Manipulationen («Einrenken»). Die Nebenwirkungen und Verletzungsrisiken sind dabei – abgesehen von etwas Muskelkater – vergleichsweise gering.
  • Studien bestätigen die Wirksamkeit von manueller Therapie bei Nackenschmerzen. Die gesetzten Reize wirken auf psychosomatischer, neurologischer und biomechanischer Ebene. So wird zum Beispiel der Blut- und Lymphfluss angeregt, und die Schmerzwahrnehmung durch Beeinflussung der der Nervenfasern gesenkt.
  • Eine spezielle Beratung hinsichtlich Schmerz und Verhalten im Alltag, wie zum Beispiel die Gestaltung des Arbeitsplatzes oder das Einbinden von aktiven Pausen, sollte unbedingt in der Therapie enthalten sein.
  • Zusätzlich kann das Erlernen von Entspannungstechniken und Dehnübungen hilfreich sein.
  • Sogenannte «Traktion» oder «Extension», was vereinfacht gesagt ein Ziehen oder Strecken der Halswirbelsäule ist, ist nachweislich bei Nackenschmerzen nicht wirksam.

Besonders wirksam sind die einzelnen Behandlungsmethoden, wenn diese miteinander kombiniert werden. Stabilisationsübungen des Nackenbereichs in Kombination mit manueller Therapie zum Beispiel, verbessert die Schmerzintensität, das Bewegungsausmass der Gelenke und die Lebensqualität deutlich.

Unspezifische Nackenschmerzen

Bei den meisten Personen steckt keine eindeutige schwere Erkrankung, die Schmerzen verursacht, hinter den Nackenschmerzen. Man spricht dann von «unspezifischen Nackenschmerzen». Wirklich ernsthafte Erkrankungen, wie ein Tumor, Wirbelkörperbrüche, Herzerkrankungen oder ein fortgeschrittener Bandscheibenvorfall, bei dem eine Operation empfehlenswert ist, kommen zum Glück sehr selten vor.

Nichtsdestotrotz wurden in Untersuchungen bei Personen mit unspezifischen Nackenschmerzen unter anderem folgende Auffälligkeiten festgestellt:

  • Überaktivität der oberflächlichen Nackenmuskulatur und infolgedessen eine Muskelermüdung
  • reduzierte Ausdauer und Kraft der Nackenmuskeln
  • reduzierte Beweglichkeit im Bereich der Halswirbelsäule
  • Einschränkungen und Veränderungen in angrenzenden Bereichen wie Brustwirbelsäule, Schultergürtel, speziell des Schulterblatts

Die genaue Funktionsstörung bei unspezifischen Nackenschmerzen bleibt aber unbekannt. Folgende Faktoren können aber die Schmerzen verursachen oder negativ beeinflussen:

  • schlechte mentale Verfassung und Stress
  • Entzündungen
  • Abnützungserscheinungen
  • lange statische Haltungen (z.B. Bildschirmarbeit) ohne viel Ausgleichsbewegung
  • Überbelastung oder «Zerrung» der Nackenmuskulatur
  • Unfälle z.B. im Sport oder Strassenverkehr
  • Genetik

Die Symptome bei Nackenschmerzen reichen von ausstrahlenden Schmerzen zur Schulter, über Kiefergelenksbeschwerden bis hin zu Kribbeln, Schwächegefühl oder Taubheit der Hände. Nackenverspannungen können unter anderem Kopfschmerzen auslösen, im schlimmsten Fall auch Migräne negativ beeinflussen.

Was tun bei Nackenschmerzen?

Da bei Nackenschmerzen in den seltensten Fällen eine schwerwiegende Erkrankung zugrunde liegt, ist eine Operation – genau wie bei unspezifischen Rückenschmerzen – selten hilfreich. Wichtig ist aber, bestimmte Warnzeichen zu erkennen zu beobachten und gegebenenfalls näher zu untersuchen. Nach Unfällen werden ausserdem mittels Ausschlussdiagnostik mögliche verletzte Strukturen untersucht. Auch wenn starke Ausstrahlungen in die Arme oder eine Schwäche der Armmuskulatur mit der Zeit nicht weniger werden, sollten diese genauer beobachtet und untersucht werden.

Bei allen anderen «unspezifischen Nackenschmerzen», bei denen kein Trauma oder ersthafte Erkrankung zugrunde liegt, ist eine nicht-operative Therapie ohne Bildgebung völlig ausreichend. Zu den nicht-operativen Behandlungsmöglichkeiten zählt zum Beispiel die Einnahme von Medikamenten, welche aber nur als kurzfristige Lösung dienen sollte. Ein Jahr nach Beginn der Probleme haben Personen, die aktive Physiotherapie durchgeführt haben, nachweislich deutlich weniger Schmerzen und Einschränkungen als Personen, die im gleichen Zeitraum Medikamente eingenommen haben. Deshalb sollte Physiotherapie die Hauptsäule in der Behandlung von Nackenschmerzen sein.