Die Schweizer Physiotherapiebranche durchlebt turbulente Zeiten: Im August 2023 haben Bundesrat Alain Berset und das Bundesamt für Gesundheit BAG per Vernehmlassung einen Tarifeingriff vorgeschlagen, der die Arbeitsbedingungen der Physios in vielerlei Hinsicht verschlechtern würde.

Der Protest gegen den Vorschlag war enorm und erreichte seinen Höhepunkt am 17. November 2023, als über 10’000 Menschen an einer Kundgebung auf dem Bundesplatz in Bern protestierten und eine Petition mit über 283’000 Unterschriften übergaben.

Neue Leitung des EDI

Wenige Wochen später, im Dezember, änderten sich die politischen Voraussetzungen: Auf die Neuwahlen des Bundesrates folgte eine Rochade im Gesundheitsdepartement. An der Spitze des Departements des Inneren (EDI) und somit des Schweizer Gesundheitswesens steht neu Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider.

Zwei Szenarien

Zur Zeit sichtet der Bund die eingegangenen Antworten auf die Vernehmlassung, was noch einige Zeit beanspruchen wird. Wir rechnen damit, dass der Bund sich bis im zweiten Quartal 2024 entscheidet.

Wird der neue Tarifvorschlag angenommen, drohen der Physiotherapie massive negative Folgen:

  • Umsatzrückgang für Physiotherapiepraxen
  • Einbussen bei der Behandlungsqualität
  • Gefährdung der Patientenversorgung
  • und vieles mehr

Würde der Tarifeingriff nicht umgesetzt, bliebe es vorerst beim Status quo, bis ein neuer Tarifvertrag zum Einsatz kommt. Eine zeitnahe Aufnahme der Verhandlungen wäre in diesem Szenario wichtig, weil die aktuellen Tarife bereits 25 Jahre auf dem Buckel haben und nicht mehr zeitgemäss sind.

Das will die Physio-Branche

Die Erwartungen von Seiten der Physiobranche sind eindeutig: Sie erhofft sich, dass Bundesrätin Baume-Schneider sich nicht von den Krankenkassen instrumentalisieren lässt, sondern den Tarifvorschlag zurückzieht. Die Physios fordern die Aufnahme von konstruktiven Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern (dem Physiotherapie-Verband Physioswiss und den Krankenkassen-Verbänden).

Datenlage

Um in konstruktive Verhandlungen einzutreten, sind Daten enorm wichtig: Die Physiotherapie muss verlässlich darlegen können, wie sie wirkt, was sie kostet und wie sie kosten sparen kann (z.B durch Verhinderung von Operationen). Diese Daten zu erheben und für die Verhandlungen aufzubereiten ist Aufgabe von Physioswiss.

Fokus auf die Qualität

Aber Daten allein reichen vermutlich nicht aus, um einen zeitgemässen Tarifvertrag zu verhandeln. Bei den Verhandlungen sollten nicht nur Forderungen nach fairen Tarifen im Vordergrund stehen, sondern auch was die Physiotherapie zu bieten hat: Eine hohe Qualität, dank der Patientinnen schneller wieder gesund und zurück im Alltag, bei der Arbeit und im Sport sind.

Eine Lösung wären transparente Qualitätsrichtlinien, die mit dem Tarifvertrag verknüpft sind: Eine Praxis, die in eine hohe Qualität investiert (Infrastruktur, Weiterbildungen, Digitalisierung, etc.), soll mit besseren Tarifen belohnt werden, als eine Praxis, die die Qualitätsrichtlinien nicht erfüllt. Das würde nicht nur die physiotherapeutische Behandlungsqualität sichern, sondern wäre auch einen Anreiz zur Weiterentwicklung und für Innovationen.

Wohin geht die Physiotherapie?

Wichtig ist, dass die Diskussion vor allem über Inhalte geführt wird (Qualität und Ziele) – und nicht über formale Kriterien wie die Dauer einer Behandlung. Konkrete Vorschläge, wie eine zeitgemässe Tarifstruktur inklusive Qualitätssicherung aussehen könnte, liegen auf dem Tisch. Es ist nun an der Politik, diese ernsthaft zu prüfen.

Der Bund muss sich entscheiden: Will er er weiterhin auf die Physiotherapie als wichtigen Pfeiler in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung setzen?

Die Hoffnung liegt auf konstruktiven Verhandlungen und einem neuen, zeitgemässen Tarifvertrag, der die Bedürfnisse der Physiotherapeuten angemessen berücksichtigt und gleichzeitig Anreize für die Fortschritte schafft – zugunsten der Patienten.