5 Tipps für Männer bei Inkontinenz und Probleme mit dem Beckenboden

  1. Informieren Sie sich: Im Internet finden Sie Informationen und erste Anlaufstellen. Trauen Sie sich auch im Bekanntenkreis zu fragen. Mit Sicherheit haben einige Männer in Ihrem Alter ähnliche Beschwerden oder im Bestenfall schon Tipps, Tricks und Erfahrungsberichte. In diesem Artikel finden Sie hilfreiche Informationen zum Thema.
  2. Suchen Sie Hilfe: Viele Männer trauen sich nicht, Probleme mit Fachpersonal, wie einem Arzt zu besprechen. Sie können sich aber sicher sein, dass Ihr Arzt nicht das erste Mal von derartigen Beschwerden hört. Inkontinenz darf kein Tabuthema sein!
  3. Packen Sie es an: In der Physiotherapie bekommen Sie nötige Hintergrundinfos, Hilfestellungen und Übungen, sodass Sie im Alltag wieder durchstarten können.
  4. Bleiben Sie dran: Eigeninitiative ist wichtig. Ihr Physiotherapeut klärt Sie über Ihr Übungsprogramm, Sport und Alltägliches auf.
  5. Erzählen Sie es weiter: Helfen Sie mit, Inkontinenz aus der Tabuzone zu befreien. Sie können Freunden oder Verwandten von Ihren Erfolgserlebnissen berichten und anderen Betroffenen Mut machen.

Beckenbodentraining galt lange Zeit als „Sache der Frau“. Den wenigsten Männern ist klar, dass durch gezieltes Beckenbodentraining ein etwaiger Harnverlust unter Kontrolle gebracht werden kann. Auch eine erektile Dysfunktion kann mit Physiotherapie behandelt werden. Die Beckenbodentherapie für den Mann wird oft einfach von der Frau übertragen. Das ist nicht ok, denn Männer und Frauen sind nun mal verschieden.

Männer sind Männer

Der Beckenboden eines Mannes ist anatomisch gesehen stabiler als der der Frau, da er eine Körperöffnung weniger hat und aus dichterem Muskelgewebe besteht. Der Beckenring ist beim Mann wesentlich schmaler. Männer müssen eben keine Kinder gebären können. Die Harnröhre ist viel länger. Auch in Bezug auf die Belastung des Beckenbodens gibt es deutliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern:  Schwangerschaften und Geburten belasten den männlichen Beckenboden nicht. Beschwerden wie Blasen- oder Gebärmuttersenkung gibt es daher bei Männern beinahe nie. Dafür arbeiten viele Männer in Berufen mit grosser körperlicher Belastung. Und dann gibt es da noch die Prostata…

Die Anatomie des männlichen Beckenbodens

Der Beckenboden ist von aussen nicht sichtbar, schliesst den Bauchraum nach unten ab und besteht aus drei muskulären Schichten. Er dient im Wesentlichen zur Lagesicherung der Bauch- und Fortpflanzungsorgane und kann zu grossen Teilen willkürlich gesteuert werden. Aus diesem Grund kann der Beckenboden, wie jeder andere willentlich steuerbare Muskel, trainiert werden.

Prostata: kleine Drüse, grosse Probleme

Die Prostata, oder auch Vorsteherdrüse genannt, liegt im Bauchraum unterhalb der Harnblase und ummantelt den oberen Teil der Harnröhre. Sie gleicht in Form und Grösse einer Kastanie und grenzt mit ihrer Rückseite an den Mastdarm. Die Prostata produziert ein Sekret, dass bei der Ejakulation in die Harnröhre abgegeben wird und ca. 30% des Ejakulats ausmacht. In jungen Jahren ist die Prostata wichtig und meist wird sie überhaupt nicht wahrgenommen. Bei älteren Männern sieht das schon ganz anders aus.

Gutartige Vergrösserung der Prostata (Benigne Prostatahyperplasie: BPH)

Die Benigne Vergrösserung der Prostata zählt zu den häufigsten Erkrankungen der zweiten Lebenshälfte bei Männern. Es betrifft fast 50% der 50 jährigen und 70-80% der über 70 jährigen. Es handelt sich um eine gutartige, knotige Vergrösserung der Prostata. Sie wächst dann von Kastaniengrösse auf Orangengrösse. Ca. 20% der Männer haben Beschwerden, die therapiert werden müssen: kaum unterdrückbarer Harndrang und deutlich erhöhte Toilletenfrequenz belastet betroffene Männer stark. Kann der Harndrang nicht mehr unterdrückt werden, kommt es zur Inkontinenz. In einem späteren Stadium kann es zu Restharnbildung, Harnwegsinfekten, Blasensteinen und in weitere Folge zur sogenannten Überlaufblase kommen.

Gutartige Prostatavergrösserung betrifft 50% der 50-Jährigen

Prostatakarzinom

Das Prostatakarzinom ist mit ca. 26% die häufigste bösartige Erkrankung des Mannes und liegt in Europa auf Platz 1 der Krebsneuerkrankungen.  Weltweit ist es die zweithäufigste Krebsdiagnose. Diagnostiziert wird der Tumor üblicherweise mittels Urintest,  Blutuntersuchung, Tastbefund, Biopsie oder einem MRT.

Durch die radikale Prostatektomie (komplette Entfernung der Prostata) wird das Karzinom beseitigt. Oft wird zusätzlich mit Strahlentherapie behandelt. Zu den häufigsten Komplikationen nach Prostatektomie gehören vor allem die Harninkontinenz und die erektile Dysfunktion.

Wenn´s tropft

Sprechen wir über Harninkontinenz. Die Ursachen dafür können vielseitig sein:

  • Operationen (Prostata, Blase, Darm…)
  • Prostatavergrösserung
  • Bestrahlung bei einem Karzinom
  • Traumata
  • Organische Ursachen (Herzinsuffizienz, Blasensteine, Divertikel, Harnwegsinfektionen, chronischer Huste, Diabetes Mellitus…)
  • Neurologische Ursachen (Multiple Sklerose, Parkinson, Schlaganfall, Alkoholmissbrauch…)

Oft werden Beschwerden wie Nykturie (häufiges nächtliches Wasserlassen), Polakisurie (zu häufiges Wasserlassen in kleinen Mengen), Dysurie (erschwertes Wasserlassen), verstärkter Harndrang, Harnverlust beim Husten, Niessen, Sport, Arbeit oder Belastung, Restharn oder eine abgeschwächte bzw. fehlende Erektion von Betroffenen Männern einfach so hingenommen. Das alltägliche Leben muss danach ausgerichtet werden. Die meisten dieser Beschwerden könnten aber sehr gut behandelt werden.

Dranginkontinenz (ovaer active bladder: OAB)

Die Dranginkontinenz ist eine Form von Inkontinenz und durch einen unwillkürlichen Harnverlust bei sehr starkem Harndrang gekennzeichnet. Symptomatisch dafür ist eben der starke, unbeherrschbare Harndrang, erhöhte Frequenz des Toilettenbesuchs und häufiges, nächtliches urinieren mit oder ohne Harnverlust.

Dranginkontinenz hat meist starke Auswirkungen auf den Alltag: Patienten leiden unter ständiger Angst vor unfreiwilligem Harnverlust und isolieren sich teilweise von ihrer Aussenwelt. Aktivitäten und Ausflüge können nicht mehr wie früher wahrgenommen werden. Es kommt zum vorbeugenden entleeren der Blase und mit der Zeit zu einer Reduktion der Blasenkapazität.

Beckenboden und die Physiotherapie

Dass Physiotherapie bei Problemen mit dem Beckenboden Sinn macht, ist wissenschaftlich bestätigt und wird mittlerweile von vielen Ärzten ganz selbstverständlich verordnet beziehungsweise empfohlen. Wir beschreiben Ihnen ganz grob wann und warum Physiotherapie Sinn macht und was Sie in der Therapie erwartet.

Physiotherapie vor einer Prostataoperation

  • Wissen: Sie erhalten allgemeine Informationen über das Krankheitsbild, die Operation und Tipps und Tricks für die Zeit nach der Operation. Bereits aufgeklärte und gut informierte Patienten sind besser in der Lage mit den krankheitsbedingten Problemen, wie Angst und Schmerz umzugehen.
  • Vorsprung: Das Lernen der Aktivierung des Harnröhrenschliessmuskels ist vor der Operation leichter als nach der Operation.
  • Kräftiger in die OP: Sie können die Muskulatur schon vor der Operation kräftigen und profitieren nach der OP von einem starken Beckenboden.
  • Gute Beziehung: Sie wissen, an wen Sie sich auch nach der Operation wenden können und haben im besten Fall bereits eine gute Verbindung zum Therapeut.

Physiotherapie nach einer Prostataoperation

Inhalte der postoperativen Therapie sind zum Beispiel:

  • Beratung: Do´s und Don´ts, Alltagstipps, wie z.B. Toiletteverhalten
  • Training des Harnröhrenschliessmuskels
  • Potenzberatung und Schwellkörpertraining
  • Beckenmobilisation
  • Funktionelles Bauchmuskeltraining
  • Atem- und Haltungsschulung
  • Behandlung einer Dranginkontinenz
  • Entstauungsmassnahmen, z.B. Lymphdrainage

Physiotherapie bei Dranginkontinenz

Die Behandlung der Dranginkontinenz ist etwas schwieriger und langwierig, aber auf alle Fälle lohnenswert. Folgende Massnahmen helfen:

  • Atemtraining
  • Toillettenregeln
  • Entkonditionierung („Umprogrammierung“ z.B. mithilfe eines „Toilettentagebuchs“)
  • Enstspannungstechniken
  • Tapeing und Elektrotherapie
  • Erlernen von Aufschubmechanismen