Durch einen Unfall verursachte Schulterausrenkungen treten gehäuft bei Männern zwischen dem 20. Und 40. Lebensjahr auf. Man spricht im Fachausdruck auch von einer traumatischen Schulterluxation.

Willkürliche Ausrenkungen, das heisst Ausrenkungen ohne bekannten Auslöser, treten oft zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr auf. Hier sind mehr Frauen betroffen. Habituelle bzw. rezidivierende Schulterluxationen trifft man bei beiden Geschlechtern gleich häufig an. Mit einer habituellen oder rezidivierenden Schulterluxation bezeichnet man sich regelmässig wiederholende Schulterausrenkungen

In der Literatur werden die Schulterinstabilität und die Schulterluxation häufig vermischt. Der Grund dafür ist, dass eine Instabilität häufig zu einer Ausrenkung führt, oder dass eine Ausrenkung die Ursache für eine darauffolgende Instabilität ist. Der Übergang ist oft fliessend und daher schwierig zu differenzieren.

In folgendem Artikel wird möglichst isoliert auf die Schulterluxation eingegangen. Mehr Informationen zu Schulterinstabilität finden Sie in dem verlinkten Artikel.

Anatomie

Die Schulter ist das beweglichste Gelenk des menschlichen Körpers. Dementsprechend anfällig ist dieses Gelenk auch für Verletzungen. Es ist das am häufigsten von Ausrenkungen betroffene Gelenk.

Der Oberarmkopf ist drei bis vier Mal grösser als die Gelenkpfanne. Er hat nur mit 25% seiner Fläche Kontakt zur Pfanne. Das Verhältnis zwischen Oberarmkopf und Pfanne gilt als wichtiger stabilisierender Faktor. Das Labrum, sozusagen die „Gelenklippe“, ist eine wulstige Umrahmung der Gelenkpfanne. Diese vergrössert die Gelenkfläche und sorgt so für mehr Stabilität. Je mehr Kontakt, desto stabiler ist das Gelenk.

Der Kapsel-Band-Komplex stabilisiert das Schultergelenk passiv.

Sehr wichtig für die Stabilität des Schultergelenks ist die muskuläre Kontrolle. Vier wichtige stabilisierende Muskeln werden zusammen auch als Rotatorenmanschette bezeichnet. Deren Sehen bilden zusammen mit einem Band eine Sehnenkapsel.

In diesem Bild sind die Gelenkpartner gut ersichtlich. Das Labrum und die Rotatorenmanschette sind hier nicht oder nur teilweise abgebildet. Dies dient der besseren Veranschaulichung der tieferliegenden Strukturen.

Einteilung

Eine Luxation der Schulter kann sowohl mit als auch ohne Unfall (=Trauma) stattfinden.

Traumatische Schulterluxation

Bei einem Sturz kommt es am häufigsten zu einer Ausrenkung des Schulterkopfes nach vorne (95%). Dies geht einher mit einer deutlichen Überdehnung der Kapsel-Band-Strukturen. Manchmal kommt es auch zu einem Abriss der vorderen Knorpellippe an der Schulterpfanne, was man als Bankart Läsion bezeichnet. In Verbindung mit dieser Bankart Läsion reissen oft die vordere untere Schultergelenkkapsel und deren Bänder ein. Dadurch ergibt sich ein instabiles Gelenk. Eine Knochendelle am hinteren, oberen Anteil des Oberarmkopfes, welche auch durch eine Ausrenkung verursacht werden kann, bezeichnet man in der medizinischen Fachsprache als Hill-Sachs-Läsion. Weitere Informationen zu diesen Verletzungen finden Sie in unserem Artikel zu Labrumläsion.

Weitaus seltener kommt es zu einer Ausrenkung des Schulterkopfes nach hinten oder unten.

Schulterausrenkung ohne Trauma (=atraumatisch)

Besteht eine Ausrenkung ohne Unfall, so baut sich dies meist über längeren Zeitraum auf. Übermässige Beweglichkeit, zu schwache bzw. ermüdete Muskeln oder ein überdehnter Kapsel-Band-Apparat führen zu einem instabilen Gelenk. Das kann in weiterer Folge zu einer Ausrenkung führen.

Die Instabilität kann entweder anlagebedingt sein oder durch wiederholte, kleinere Traumen (=Mikrotraumen) entstehen. Wiederholte Mikrotraumen beobachtet man insbesondere bei langjährigen Überkopfsportlern, wie z.B. Volleyballer. Man spricht auch von der sogenannten Werferschulter.

Schulter ausgerenkt – was tun?

Ist die Schulter ausgerenkt, gibt es nur eine Möglichkeit: ab zum Arzt oder direkt in das Notfallzentrum eines Spitals. Hier wird die Schulter fachmännisch „repositioniert“, das bedeutet, dass sie in die Normalposition zurückgebracht wird.

Wichtig ist, dass alle möglichen Begleitschäden vorweg eruiert werden. Gibt es zusätzlich Verletzungen wie eine Bankart-Läsion oder einen Riss der Schultersehnen (= Riss der Rotatorenmanschette), so ist vor allem bei jungen Sportlern eine Operation anzuraten.

Manche Menschen sind sehr beweglich und leiden an rezidivierenden, das heisst sich wiederholenden, Schulterausrenkungen. Oft können diese Personen die Schulter schon von selbst wieder einrenken. Dies entspricht natürlich keinesfalls der Norm und benötigt unbedingt medizinische Behandlung zur Stabilisierung des Gelenks.

Wie hilft die Physiotherapie nach Schulterluxation?

In der Akutphase geht es darum, das Gelenk ruhigzustellen und die Beweglichkeit des Gelenks zu verbessern.

Später ist das Ziel in der Physiotherapie vor allem, die stabilisierende Schultermuskulatur aufzubauen, die Bewegungsqualität und das komplexe Zusammenspiel der Schultergürtelstrukturen zu verbessern.

Zwei Wichtige Ansatzpunkte hierfür werden untenstehend beschrieben.

Schulterblatt als Ausgangspunkt für Stabilität

Die Aufgabe der schulterblattstabilisierenden Muskulatur besteht darin, für eine optimale Ausrichtung der Schulterpfanne zum Oberarmkopf zu sorgen. Bestehen bereits hier Probleme beim Zusammenspiel der Muskeln, ergibt sich eine verschlechterte Zentrierung des Gelenks, sowie eine verminderte Bewegungsqualität. Dies kann in weiterer Folge zu Schulterproblemen, wie einer Instabilität, führen. Die Gefahr einer Ausrenkung ist dann bei gewissen, hohen Belastungen natürlich höher. Nach einer Ausrenkung sollte diese Muskulatur unbedingt trainiert werden.

Die Rotatorenmanschette als zentrierende Muskulatur

Wie bereits oben erwähnt, werden vier wichtige, schultergelenksnahe, zentrierende Muskeln zusammengefasst als Rotatorenmanschette bezeichnet. Diese sorgen für die nötige Zentrierung des Oberarmkopfes im Schultergelenk. Der Aufbau der Rotatorenmanschette ist daher bei einer Schulterinstabilität und nach einer Schulterausrenkung ein wichtiger Therapieinhalt.

In diesem Beitrag finden Sie ein Beispiel für die Kräftigung der Rotatorenmanschette.

Bis die Schulter wieder komplett beschwerdefrei ist, kann es zweieinhalb bis vier Monate.  Je nachdem, wie hoch der Verletzungsgrad und der Therapieverlauf sind, kann es in manchen Fällen auch länger dauern.